Fr 14.9.12 // 20 Uhr // Saal

Herr der Krähen

Lesung mit Ngugi wa Thiong‘o

Moderation: Sigrid Löffler
Lesung des deutschen Textes: Knut Cordsen (Bayerischer Rundfunk)

Ausgangspunkt dieses großen neuen Romans des kenianischen Schriftstellers Ngugi wa Thiong’o (Deutsch von Thomas Brückner) ist ein gigantisches Bauvorhaben: »Marching to Heaven«, ein moderner Turmbau zu Babel, der dem despotischen Herrscher der fiktiven Freien Republik Aburiria Weltgeltung verschaffen soll. Die opulente Geschichte um einen afrikanischen Diktator und dessen Handlanger ist grotesk und satirisch, amüsant und beunruhigend gleichermaßen. Es ist ein Buch in bester afrikanischer Erzähltradition von einem der wichtigsten Autoren seines Landes. Ngugi wa Thiong’o gelingt mit diesem Roman eine umfassende Parabel auf die sozialen, politischen und kulturellen Verhältnisse auf dem afrikanischen Kontinent und dessen Beziehung zum Westen.

»›Herr der Krähen‹ ist Ngugi wa Thiong’os opus magnum. Ein Universalepos von fast tausend Seiten. Ein Roman, der nicht weniger ist als eine ebenso umfassende wie narrativ verästelte Parabel der Situation Schwarzafrikas, seiner Geschichte und Gegenwart, seines kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Schicksals. Kurzum: ein Roman, der aufs Ganze zielt. Man könnte ihn, was die monumentale Anstrengung und historische Bedeutung des Romans betrifft, vielleicht neben »Hundert Jahre Einsamkeit« von Gabriel Garcia Marquez aus dem Jahr 1967 einordnen, oder, um ein Beispiel neueren Datums zu nehmen, neben »Unendlicher Spaß« von David Foster Wallace von 1996. Das heißt, in die Reihe jener Bücher der Weltliteratur, in denen sich das Bewusstsein eines ganzen Kontinents oder das Nervensystem einer ganzen Epoche verdichtet … Nach den erstenzwanzig von diesen tausend Seiten sind philologische Selbstzweifel verschwunden. Man steckt mitten in der Lektüre einer Satire von hohen Gnaden und wartet nur noch auf den nächstenirren Einfall … Ngugi wa Thiong’o transportiert ohne den Effekt falscher Naivität die afrikanische Tradition literarischer Mündlichkeitins Zentrum aktueller Tagesnachrichten. Denn sein Roman ist, wenn auch geformt als fantastische Parabel, eine Operation am offenen Herzen von Weltwirtschaft und Weltpolitik.«

Ursula März, DIE ZEIT