Fr 25.11.16 // 20 Uhr // Saal
Literaturfest München 2016

Kalkutta

Ein Abend mit Shumona Sinha

Moderation: Cornelia Zetzsche (Bayern 2)
Deutsche Lesung: Sabrina Khalil

»Als sie die Treppe hinaufsteigt, kann Trisha durch die Fensterläden die Wände der Nachbarn sehen, auf denen die politischen Parolen noch dieselben sind: dasselbe Rot und Schwarz, dieselben Hämmer und Sicheln, der Stern, Schicht für Schicht, unter dem Kalk dieselbe Wut, die seit Jahrzehnten schlummernde Wut quillt unter dem Kalk hervor und lässt die Schriftzüge leuchten.
Im zweiten Stock also ein zur Treppe hin offener Raum, eine Galerie. Auf dem Mäuerchen, das sie zur Treppe begrenzt, liegen dicht an dicht alte Wolldecken, Daunendecken, eine magere Nackenrolle, verstaubt und mit Spinnweben überzogen. Ihre Eltern hatten eine neue Wohnung bauen lassen und sie auf Hochglanz gebracht, während alles andere vergilbte und verstaubte. Trisha findet die Bettdecke. Sie weiß, welches Geheimnis sich in ihrem wattierten Bauch versteckt. Sie zieht sie aus dem Stapel.«

Ihr preisgekröntes Romandebüt »Erschlagt die Armen!« über die Unzumutbarkeit des Asylsystems betitelte die bengalischfranzösische Autorin nach einem Gedicht von Charles Baudelaire. In ihrem neuen Roman »Kalkutta« erzählt Shumona Sinha von einer verlorenen Kindheit in Indien.

Nach vielen Jahren in Frankreich kehrt Trisha anlässlich der Einäscherung ihres geliebten Vaters zurück in ihre Geburtsstadt Kalkutta. Im verlassenen Haus der Familie, in dem sie aufgewachsen ist, schicken die Möbel und vertrauten Gegenstände aus alten Tagen ihre Gedanken auf eine Zeitreise in die Vergangenheit. Mehrere Generationen einer Familie werden in Shumona Sinhas Roman (Edition Nautilus) heraufbeschworen, und damit auch die kollektive, politische Vergangenheit Westbengalens – von der britischen Kolonialzeit bis zur jahrzehntelangen kommunistischen Regierung seit den späten 1970er-Jahren.

 

»Ein nostalgisches und zärtliches Buch über die Kindheit, die Familie und die Erinnerung, in einer farbigen, duftenden poetischen Sprache.«

Le Nouvel Observateur

»Sinhas Sprache ist aufgeladen und sie zielt direkt auf die Innereien – das zeigt sich sogar noch in der deutschen Übersetzung. Ihre Sätze (…) suchen mal provokante, mal poetische Vergleiche und verlieren dabei niemals ihre Schlagkraft, die beim Lesen manchmal Schauer erzeugen.«

ZEIT ONLINE