Do 8.3.18 // 20 Uhr // Saal
Foyer-Bar ab 19 Uhr

Der Clan der Kinder

Lesung mit Roberto Saviano

Moderation: Karen Krüger (FAS)
Deutsche Lesung: Martin Bross
Dolmetscherin: Martina Kiderle

Zehn Jungen rasen auf ihren Motorrollern durch die Stadt. Sie heißen Maraja, Dentino, Lollipop, Drone, sie tragen Markenschuhe und den Namen der Freundin auf die Schulter tätowiert – und sie wollen alles haben. In Neapel ist das nur eine Frage der richtigen Camorra-Bande. Der Weg vom Pusher zum Killer ist kurz. Auf den Dächern der Stadt üben die 15-jährigen mit Sturmgewehren, zielen auf Mülltonnen und Fensterscheiben. Bald gilt ein Menschenleben weniger als ein gebrochenes Wort. Sie fühlen sich unsterblich, bis der Glanz ihres rasanten Lebens sie schließlich selbst blendet. Der erste Roman von »Gomorrha«-Autor Roberto Saviano (Hanser Verlag, Deutsch von Annette Kopetzki) erzählt von einer Jugend ohne Gott. Es ist ein rasantes und beklemmendes Buch – und doch voller Menschlichkeit. Die deutschen Passagen liest Martin Bross, Stimme des zeitgleich erschienenen Hörbuchs.

»In dieser Stadt läuft das so. Alle wissen, dass du Streit hast. Sie müssen es wissen. Jede Beleidigung, jede Stimme, jeder scharfe Ton hallt zwischen den Steinen der Gassen wider, die Zank zwischen Liebespaaren gewöhnt sind.
›Was hat Renatino dir überhaupt getan?‹
Halb ungläubig, halb erfreut fragte Nicolas: ›Also weißt du’s schon?‹
Im Grunde reichte es ihm, dass seine Freundin Bescheid wusste. Die Heldentaten eines Kriegers gehen von Mund zu Mund, erregen Aufsehen und werden zur Legende. Er sah Letizia am Fenster und wusste, dass sein Bravourstück zwischen abgeblättertem Putz, Aluminiumfensterrahmen, Regenrinnen und Terrassen und weiter oben zwischen den Antennen und Satellitenschüsseln widerhallen und weitergetragen würde. Und während er Letizia betrachtete, wie sie über der Brüstung lehnte, die Haare nach dem Duschen noch lockiger als sonst, erhielt er eine Nachricht von Agostino. Eine dringende und rätselhafte Nachricht. Damit endete der Wortwechsel. Letizia sah ihn auf den Motorroller steigen und mit quietschenden Reifen davonfahren. Ein Minotaurus, halb Mensch, halb Räder. Durch Neapel fahren heißt, alles überholen und überall durchkommen, Straßensperren, Einbahnstraßen, Fußgängerzonen gibt es nicht.«

Roberto Saviano »Der Clan der Kinder«